Weg mit der klassischen Rollenverteilung
„Grenzen überwinden“ lautete das Motto der ersten digitalen Fachkräftewoche
Fachkräftemangel und Geschlechtergerechtigkeit: Diese beiden Punkte standen im Mittelpunkt der ersten digitalen Fachkräftewoche „Grenzen überwinden“ des Kompetenzzentrums Frau & Beruf Mittlerer Niederrhein in Zusammenarbeit mit den Zentren Niederrhein, Region Aachen sowie Düsseldorf/Kreis Mettmann. „Mit rund 500 Teilnehmern bei zehn Veranstaltungen war die Fachkräftewoche ein voller Erfolg“, zeigt sich Projektleiterin Anke Erhardt rundum zufrieden.
Das größte Beschäftigungspotenzial zur Fachkräftesicherung sind Frauen, sagt das Bundesministerium für Wirtschaft. Doch gerade im wirtschaftlichen Bereich ist Deutschland von der Gleichstellung von Frauen und Männern weit entfernt, so das deutsche Institut für Entwicklungspolitik. Mit der Fachkräftewoche des bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) Kreis Viersen angesiedelten Kompetenzzentrums sollten Grenzen überwunden, Potenzial für einen Kurswechsel in Bezug auf das Thema Fachkräftesicherung aufgezeigt werden.
Sibylle Stippler, Institut der deutschen Wirtschaft, appellierte an die Unternehmen, attraktive Arbeitgeber zu sein und gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu müsse man weg von der Philosophie „Das haben wir immer schon so gemacht“. In der Coronakrise wurden Vorbehalte gegen Homeoffice abgelegt, dies gelte es nun in die Normalität zu integrieren. Mit Blick auf die Geschlechtergerechtigkeit mahnte Prof. Dr. Jutta Rump (Institut für Beschäftigung und Employability) allerdings Veränderung als Normalzustand an: „Die drei Ks der 50er Jahre mit Kinder, Küche, Kirche dürfen nicht zu den drei Hs werden mit Home-Schooling, Haushalt, Home-Office.“
Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer als Deutschland-Botschafter der UN Women Kampagne „HeForShe“ setzen sich für Geschlechtergerechtigkeit ein. Frauen arbeiten mehr unbezahlt, werden Opfer von Geschlechtergewalt, erleben Benachteiligung bei Karriere und Entlohnung, zeigten sie auf. Es sei Zeit für einen Perspektivwechsel: „Vereinbarkeit ist Teamwork, und es braucht den gemeinsamen Einsatz von Frauen und modern denkenden Männern.“
Wie man langfristig mehr Geschlechtergerechtigkeit erreichen könne, dazu stellte Prof. Monika Eigenstetter (Hochschule Niederrhein) eine gewagte These auf: „30 Stunden als das neue Vollzeit“, sagte sie. Sensibilisierung helfe wenig, das Verhalten müsse sich ändern. Deshalb sei die Arbeit an den Strukturen wichtig. Denn die Coronakrise könne auch zu einer Rückkehr zu zentralistischen Führungsstrukturen führen.
Prof. Dr. Alexander Cisik (Hochschule Niederrhein) machte deutlich, dass eine gute Unternehmenskultur die Erwartungen der Beschäftigten trifft. Er machte aber auch deutlich, dass solche Veränderungsprozesse lange dauern. Ganz wichtig dabei: „Führungskräfte müssen Vorbild sein.“
„Sie haben eine hochkarätige und innovative Fachkräftewoche organisiert“, gab es als Feedback aus dem Teilnehmerkreis. „Die gute Resonanz zeigt, dass wir mit den Themen den Puls der Zeit getroffen haben“, sagt Anke Erhardt. „Wenn zunehmend von Frauen und Männern flexibel und ohne stereotype Rollenverteilung und den damit verbundenen Vorurteilen gedacht wird, kommen wir dem einheitlichen Ziel Fachkräftesicherung ein ganzes Stück näher“, so ihr Fazit.