Treffer! Eingestellt?
Was tun Unternehmen gegen Fachkräftemangel und wie können Frauen davon profitieren?
Die Zeiten, in denen BewerberInnen vor den Werkstoren Schlange standen, sind für viele Branchen und Regionen vorbei. Von einem flächendeckenden Fachkräftemangel kann man in Deutschland zwar noch nicht sprechen, aber besonders im Gesundheitswesen und in einigen technisch-handwerklichen Berufsfeldern macht sich das Fehlen geeigneter MitarbeiterInnen deutlich bemerkbar. Dazu suchen vor allem Betriebe im ländlichen Raum händeringend nach Fachkräften, da junge, gut ausgebildete Menschen meist lieber in Großstädten leben und arbeiten. Gerade für Unternehmen mit ungünstigen Branchen- und Standortvoraussetzungen ist es heute also von zentraler Bedeutung, BewerberInnen ein klares und attraktives Angebot zu machen.
Die Richtigen sind die Passenden
Einige Ideen, wie BewerberInnen und Unternehmen zukünftig besser zusammenkommen können, erklärte Professor Alexander Cisik von der Hochschule Niederrhein am 8. November in den Räumen der Viersener Wirtschaftsförderung: „Die Richtigen sind die Passenden“ lautet die zentrale These seines Vortrags, die nur auf den ersten Blick banal erscheint. Denn leider geben sich immer noch wenige Unternehmen die Mühe, wirklich passende BewerberInnen zu finden. Auf Einladung des Kompetenzzentrums Frau und Beruf Mittlerer Niederrhein, erläuterte Cisik, dass viele Betriebe bereits daran scheitern, sich nicht genügend Klarheit über die eigene Unternehmenskultur und -strategie zu verschaffen, und so keine konkreten Anforderungen für neue und vorhandene MitarbeiterInnen formulieren können. „Viele Bewerbungsgespräch verlaufen nach dem Prinzip des beiderseitigen ‚Window Dressings‘, wobei sich beide Seiten als die Tollsten und Besten darstellen, es aber nicht deutlich wird, ob Unternehmen und Bewerber wirklich zueinander passen“, konstatierte Wirtschaftspsychologe Cisik. Die wichtigen Knackpunkte treten daher für beide Seiten oft viel zu spät zu Tage, was wiederum zu wechselseitiger Unzufriedenheit und leider zu oft zur baldigen Auflösung von Arbeitsverhältnissen führt.
Was macht einen guten Arbeitgeber aus?
Um Unternehmen zu helfen, herauszufinden, was ihren Beschäftigten wichtig ist, befragten Cisik und seine Mitarbeiter Angestellte einer Vielzahl von Betrieben. Dabei erwies sich das gute Betriebsklima als der mit Abstand wichtigste Punkt, gefolgt von einer kompetenten Unternehmensleitung und einem leistungsgerechten Gehalt. Immerhin auf Platz Fünf landete die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Als vergleichsweise unwichtig bewerteten die Befragten dagegen Internationalität und Größe ihrer Unternehmen.
Viersener Sanitätshaus zeigt, wie es geht
Wie man Mitarbeitergewinnung trotz ungünstiger Voraussetzungen erfolgreich angeht, zeigt das Beispiel des Sanitätshauses Lettermann. In ihrem kurzweiligen Vortrag erklärte Juniorchefin Tamara Gross, wie der Viersener Traditionsbetrieb erfolgreich um neue Auszubildende wirbt. Kernstück der Lettermann-Strategie ist es, Neuzugänge direkt durch das – aktuell 32 Köpfe starke – Azubi-Team aussuchen zu lassen. Mehrere, mit kleinem Budget gedrehte, Azubi-Videos erzielten in sozialen Netzwerken erhebliche Aufmerksamkeit und halfen dabei, dass Fachkräftemangel bei Lettermann weiterhin ein Fremdwort bleibt. Das offensichtlich gute Betriebsklima wird hier für potenzielle BewerberInnen authentisch transportiert. Ein weiteres Erfolgsrezept ist der Grundsatz, auch Menschen mit Defiziten und schlechten Bildungsabschlüssen oder älteren BewerberInnen eine Chance zu geben. „Manche Azubis erscheinen zuerst problematisch, entwickeln sich mit der Zeit aber zu aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, erklärt Tamara Gross „Gute Erfahrungen haben wir auch mit alleinerziehenden Müttern und Vätern. Solange die Kinder klein sind, gibt es zwar größeren Abstimmungsaufwand. Oft sind aber gerade Alleinerziehende besonders gut organisierte und loyale Beschäftigte.“
Verschenken Sie kein Potenzial
Vorreiter wie das Sanitätshaus Lettermann zeigen, dass Betriebe, die sich trauen, vermeintlich problematische BewerberInnen einzustellen, erhebliche Vorteile erzielen können. Besonders Familienfreundlichkeit zahlt sich für viele Betriebe mehr als aus. „Um Frauen verstärkt anzusprechen, sollte vor der Stellenausschreibung geprüft werden, ob die Position auch für Teilzeit, Job Sharing oder Arbeiten im Homeoffice in Frage kommt“, betont Birgit Weber, Leiterin des Kompetenzzentrums Frau und Beruf. „Denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist gerade für Frauen ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des zukünftigen Arbeitsplatzes.“ Auf diese Weise schaffen es dann auch Betriebe aus weniger nachgefragten Branchen, die Untiefen des Fachkräftemangels zu umschiffen.
Akteure und Veranstalter: Birgit Weber, Tamara Gross, Prof. Dr. Alexander Cisik, Dr. Thomas Jablonski (v.l.)
Ansprechpartnerin:
Anke Erhardt
Kompetenzzentrum Frau und Beruf Mittlerer Niederrhein
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