Studentenprojekt: Hitzeschutzkonzept für die Lebenshilfe Viersen
Wenn die Sommertemperaturen wie grade steigen, wird der Schutz vor Hitze in Wohn- und Pflegeeinrichtungen zu einer entscheidenden Aufgabe. Im Haus Drabben der Lebenshilfe Kreis Viersen in St. Hubert, einem Gebäude aus den 1980er Jahren , führten hohe Außentemperaturen in der Vergangenheit zu unangenehmen Bedingungen in den Innenräumen, mit Spitzenwerten von über 30°C. Bestehende Maßnahmen wie das Lüften oder die Verdunklung reichten nicht mehr aus.

Mehr als nur kühl: Wie Studierende der Hochschule Niederrhein ein ganzheitliches Hitzeschutzkonzept für das Haus Drabben entwickeln
In vorbildlicher Kooperation haben sich die Lebenshilfe Viersen und der Masterstudiengang Energiewirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Niederrhein diesem Thema angenommen. Die Studierenden entwickelten ein umfassendes Konzept, das drei zentrale Bereiche – Sensorik, Energieerzeugung und Kältebedarfsanalyse – miteinander verknüpft und bearbeitet.
Das digitale Nervensystem: Ein Sensornetzwerk für gezielte Reaktionen
Die erste Maßnahme, die bereits im Februar umgesetzt wurde, war die Installation eines intelligenten Sensornetzwerks.
Das Problem: Bisher mussten die Temperaturen manuell abgelesen und die vorgeschriebenen Werte für Medikamentenschränke (15–25 °C) und Kühlschränke (2–8 °C) aufwendig von Hand protokolliert werden.
Die Lösung: 15 batteriebetriebene Sensoren des Typs „Shelly H&T Gen. 3” wurden in Gruppenräumen, Medikamentenschränken und Kühlschränken installiert. Diese überwachen nun permanent Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Bei Überschreiten von Grenzwerten (z. B. 26 °C oder 30 °C) wird automatisch eine E-Mail an die zuständigen Mitarbeiter gesendet. Dies erleichtert nicht nur die Arbeit, sondern sorgt auch für eine schnellere Reaktion auf Hitzebelastungen.

Energie vom eigenen Dach: Auslegung einer Photovoltaikanlage
Um den zukünftigen Energiebedarf, insbesondere für eine Klimaanlage, nachhaltig zu decken, planten die Studierenden den Bau einer Photovoltaikanlage. Trotz der komplexen Dachstruktur mit mehreren Ebenen und Ausrichtungen wurde nach einer detaillierten Vermessung und Verschattungsanalyse ein optimales Konzept erarbeitet.
Auf den Dächern des Hauses Drabben können demnach potentiel 142 Photovoltaikmodule mit einer Gesamtleistung von 63,9 kWp installiert werden. Diese Anlage würde einen jährlichen Energieertrag von 51.633 kWh liefern.
Autarkiequote von 52,14 % ermöglichen. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zeigte zudem, dass sich die Investition in etwas mehr als fünf Jahre amortisiert und somti hochrentabel ist.

Kühlen: Wie viel Leistung wird wirklich gebraucht?
Im Kampf gegen die Hitze ist die zentrale Frage, wie groß eine Kälteanlage dimensioniert sein muss. Die Studierenden erstellten ein detailliertes energetisches Gebäudemodell auf Basis der Norm DIN V 4108-6, mit dem sich über ein ganzes Jahr in 10-Minuten-Schritten simulieren lässt, wie sich Wärmegewinne (Sonne, Personen, Geräte) und Wärmeverluste (Wände, Lüftung) auf die Raumtemperatur auswirken.
Das Ergebnis: Um die Temperatur im Obergeschoss ganzjährig unter der empfohlenen Grenze von 25 °C zu halten, wird eine Kälteanlage mit einer maximalen Leistung von 65 kW benötigt.
Die Simulation zeigte eindrucksvoll, dass die geplante Photovoltaik-Anlage den Strombedarf für diese Kälteanlage ganzjährig zu 100 % decken könnte. Zudem wirkt die PV-Anlage selbst wie ein Sonnenschirm für das Dach und reduziert so die benötigte Kälteleistung.

Fazit: Ein wegweisendes Konzept!
Dieses Projekt ist ein hervorragendes Beispiel für den Transfer von akademischem Wissen in die Praxis. Die Lebenshilfe Kreis Viersen erhält durch die Arbeit der Studierenden eine fundierte Grundlage für zukünftige Investitionen in den Hitzeschutz und die nachhaltige Energieversorgung. Laut Geschäftsführer Michael Behrendt soll die PV-Anlage für das Haus Drabben noch in diesem Jahr realisiert werden. Das erfolgreiche Sensornetzwerk könnte zudem als Pilotprojekt auf weitere Häuser der Lebenshilfe übertragen werden.
Wie geht es weiter?
Das Projekt ist so weit abgeschlossen und das Grundwissen liegt bereit für ähnliche Projekte in der Zukunft. Kontakt für dieses Projekt ist Prof. Dr.-Ing. Joachim Schettel von der Hochschule Niederrhein. Unternehmen, die an einer Weiterentwicklung, einer Kooperation oder ähnlichen Innovationsprojekten interessiert sind, können sich gerne an die Hochschule Niederrhein wenden. Auf der Website des Fachbereichs Wirtschaftsingenieurwesen finden Sie detaillierte Informationen über eine potenzielle Zusammenarbeit mit der Hochschule.
Weiterführende Einträge: Einblicke in unsere Projekte zur Energieeffizienz
Die Herausforderungen der Energiewende im Gebäudesektor sind vielschichtig. Unsere Projekte an der Hochschule Niederrhein beleuchten dieses Thema aus verschiedenen Blickwinkeln – von der grundlegenden Materialforschung im Labor bis hin zu ganzheitlichen Konzepten für reale Gebäude. Die folgenden Einträge geben Ihnen einen detaillierten Einblick in die einzelnen Projekte und zeigen, wie diese miteinander verknüpft sind.
- Dämmbox: Prüfstand für kostengünstige Dämmstofftests
Dieser Beitrag beschreibt die Entwicklung einer „Hot-Box“. Mit diesem Prüfstand kann der U-Wert von Dämmmaterialien unter kontrollierten Laborbedingungen präzise ermittelt werden. - uSens: U-Wert messung an der Hauswand
Was im Labor der Dämmbox beginnt, wird mit uSens in die Realität übertragen. Dieser Eintrag erklärt, wie das mobile Messgerät den tatsächlichen U-Wert einer bestehenden Wand direkt vor Ort misst – ohne diese zu beschädigen. Es schlägt damit die Brücke zwischen dem theoretischen Materialwert und der realen Performance der Gebäudehülle. - ThermoTrack: Der mobile Energieberater im Koffer
Während uSens die Qualität eines einzelnen Bauteils analysiert, betrachtet ThermoTrack das gesamte Gebäude. Dieser Beitrag stellt den Messtechnik-Koffer vor, der durch die Erfassung von realen Temperatur- und Verbrauchsdaten (z. B. Gas) eine umfassende energetische Bewertung ermöglicht.